Ethik & Gesellschaft
Von Mensch zu Mensch: Museum zum Anfassen
Über 40.000 Menschen in Hamburg sind laut Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg e.V. sehbehindert – über 2.000 davon blind. Der Museumsdienst Hamburg hat für diese Menschen nun ein besonderes Angebot: Bis mindestens Ende des Jahres machen elf Hamburger Museen bei dem neuen inklusiven Angebot Museum zum Anfassen mit.
Veröffentlicht von Lars Wöhrmann am 1. Oktober 2022
Neu sind dabei vor allem die Materialkoffer, die jede Museumspädagogin dabei haben wird. „Darin sind Objekte und Repliken zum Ertasten, Riechen und Hören. Sie sind passend zum sinnlichen Erfahren der unterschiedlichen Sammlungen“, erklärt Anika Stracke, Projektleiterin Inklusion beim Museumsdienst, im Podcast „Von Mensch zu Mensch“. André Rabe, der zweite Vorsitzende des Blinden- und Sehbehinderten-Vereins Hamburg hat Kulturvermittlern, die die Führungen durchführen, in Workshops beraten. „Eigentlich gehe ich gern in Museen, aber die vielen Verbotsschilder und Absperrungen, die es gibt, haben mir die Besuche vergällt. Auch habe ich als Geburtsblinder keine Vorstellung von Farben und Größen, da nützt mir eine normale Audioführung wenig“, erzählt Rabe im Podcast. Mit den neuen Führungen können Sehbehinderte die Ausstellungen besser begreifen.
So könnten Besucher in der Kunsthalle anhand von Gliederpuppen, tastbaren Schwellkopien und erhabenen Moosgummi-Nachbildungen Grundrisse und Kunstwerke nachspüren. Kakao-, Kaffee- und Kautschukproben, Duftaromen und Gewürze lassen die Schifffahrt und den Seehandel im Internationalen Maritimen Museum lebendig werden. Schiffsmodelle zum Anfassen ersetzen auch im Deutschen Hafenmuseum (im Aufbau) Modellschiffe hinter Glasvitrinen Mit Audiospuren von Tierstimmen sowie Präparaten und Schädelabgüssen tauchen Interessierte im Museum der Natur in zoologische Themen ein. Repliken von Harpunen und Steinzeitfeuerzeugen befinden sich im Materialkoffer des Archäologischen Museums und verdeutlichen so das harsche Leben in Hamburg früher.
„Beim Museumsdienst buchen pro Jahr rund 250.000 Menschen eine Führung, aber darunter sind nur wenige Menschen mit Beeinträchtigungen. Das wollen wir mit diesem Projekt ändern“, sagt Stracke. Seit dem Frühjahr haben Kulturvermittlerinnen insgesamt 38 Führungen zum Anfassen konzipiert. 14 verschiedene werden ab sofort für Blinde und Seheingeschränkte, etwas später im Herbst weitere für Menschen mit Down-Syndrom oder Autismus angeboten.
Für alle inklusiven Gruppenangebote gelten stark ermäßigte Führungsentgelte. Interessierte vereinbaren ihre Führung mit Wunschtermin telefonisch über den Museumsdienst Hamburg unter 040/428 131 0 oder per Mail an info@museumsdiensthamburg.de. Weitere Informationen gibt es unter https://museumsdienst-hamburg.de/inklusive-zugaenge-in-hamburgs-museen
Diese neue Folge gibt es ab Samstag unter www.abendblatt.de/podcast/von-mensch-zu-mensch zu hören. Der Podcast der beliebten Abendblatt-Rubrik erscheint alle 14 Tage neu, und wird abwechselnd von Sabine Tesche und Iris Mydlach moderiert. Unterstützt wird er von der HanseMerkur.
Foto: Thorsten Ahlf / Funke Foto Services