In Deutschland gibt es 2,2 Millionen minderjährige Kinder, die in Alleinerziehendenhaushalten groß werden. Dazu kommen 3,7 Millionen Kinder, die das achtzehnte Lebensjahr bereits vollendet haben. In der Summe gibt es mehr als 1,5 Millionen sogenannte Einelternfamilien, das entspricht jeder fünften Familie in Deutschland, Tendenz steigend. Zahlen die man sich bewusst machen sollte, denn sie zeigen, Alleinerziehende sind keine kleine Randgruppe und trotzdem werden sie oft als diese behandelt. Das typische großelterliche Familienbild gehört der Vergangenheit an. Die Unterstützung der Alleinerziehenden ist jedoch noch nicht in der Gegenwart angekommen.
Wenn es um Unterstützung geht, dann bezieht sich diese nicht nur auf finanzielle Hilfen, sondern auch auf seelischen und mentalen Beistand. Während die Sorgen, Nöte und Ängste bei einer Zweielternfamilie von zwei Schulterpaaren getragen werden können, sind Alleinerziehende auf sich allein gestellt. Es beginnt ganz klein bei Überlegungen, wie: „Reicht die Jacke oder wäre eine zusätzliche Mütze besser?“ Geht weiter über die Frage nach der richtigen Erziehung, denn dort ist oft niemand der sagt: „Oh, da warst du aber ganz schön streng.“ oder „Bei dieser Entscheidung stehe ich voll hinter dir.“ und endet bei der Frage nach der Finanzierung und Bewerkstelligung des Familienlebens. Neben den Kita-Gebühren und dem Lebensunterhalt fallen natürlich auch die Kosten für eine mögliche Freizeitgestaltung an.
Freizeit, im Sinne von Sport, Zeit mit Freunden verbringen oder einfach nur Zeit für sich haben, davon wagen Alleinerziehende oft nicht einmal zu träumen. Für sie, wie für auch Zweielternfamilien, steht das Wohl des Kindes oder der Kinder an erster Stelle. Da kommt es nicht selten vor, dass die Alleinerziehenden nach knappen sechs Stunden Arbeit zur Kita oder der Schule hetzen, um ihre Kinder zu holen und zum Freizeitprogramm zu fahren. Danach ab nach Hause, spielen, bei den Hausaufgaben unterstützen und vom Tag berichten lassen. Währenddessen steht in der Küche das Abendessen auf dem Herd, für das während des Freizeitprogramms der Kinder am Nachmittag noch schnell eingekauft worden ist. Abendessen und dann ab ins Bett. Jetzt das Haus verlassen? Undenkbar. Wer passt auf die Kinder auf? Babysitter sind oft teuer und das Geld muss gespart werden.
Rund 90 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen. Dass sie auf Grund der noch nicht vollendeten Emanzipation von vornherein schon weniger Geld verdienen, schmälert das verfügbare Budget unvermeidbar. Dazu kommt die meist verkürzte Arbeitszeit, die sich negativ auf die Rente auswirkt und die verlorene Freizeit. Schon vor der Corona-Krise waren sie einer großen Belastung ausgesetzt. Jetzt mit der möglichen Kurzarbeit, dem eventuellen Verlust des Arbeitsplatzes und der fehlenden Kinderbetreuung wird es nicht leichter. Immer wieder wird die Forderung nach einer Grundsicherung laut, die unabhängig von anderen Leistungen, wie Unterhalt des anderen Elternteils oder der Sozialleistungen, geschmälert wird.
Viele sehen ihre Aufgabe auch darin, die Alleinerziehenden zu bestärken, ihnen Mut zu machen oder ein offenes Ohr zu schenken. Nicht selten ist der Wunsch nach Hilfe und Unterstützung zwar da, der Mut diesen auch auszusprechen und Hilfe auch anzunehmen, eine weitere Hürde. Die Angst schwach und hilflos wahrgenommen zu werden ist oft zu groß, um die benötigte Hilfe anzunehmen, bevor man selbst an den Sorgen und der Überbelastung kaputt geht.
In Berlin wurden vor der Corona-Zeit kurzfristige Betreuungsplätze angeboten. Hier konnten die Eltern ihre Kinder spontan, ohne Anmeldung, lediglich für ein paar Stunden abgeben. Momente, die zum Durchatmen oder für Arztbesuche genutzt werden konnten. Warum es solche Angebote nicht flächendeckend gibt und warum Alleinerziehende oft auf sich allein gestellt sind, sind Fragen, die so schnell nicht geklärt werden können, aber dringend angegangen werden müssen. Denn ein ausgelaugter Elternteil ist weder gut fürs Kind noch für die Person selbst.