Ethik & Gesellschaft

Das Kopftuch als modisches Accessoire?

Mode war und ist schon immer ein Thema, das reichlich Potenzial für hitzige Diskussionen bietet. Die Modeindustrie setzt Jahr für Jahr neue Trends und die Designer greifen gerne auf vergangene Jahrzehnte zurück, um ihren Kollektionen einen besonderen „Touch“ zu geben. Viele Menschen verbinden mit der Modewelt eine gewisse Oberflächlichkeit, da sich hier vieles um das Aussehen und die richtigen Maße dreht. Aber Mode ist für viele Frauen und Männer auch ein Ausdruck ihrer Freiheit, weil sie sich durch einen individuellen Stil ausdrücken können. Wie sieht es nun aber aus, wenn Kleidung keine Freiheit bedeutet und mit Vorurteilen behaftet ist?

Veröffentlicht von Anna-Katharina Haag am 11. Juni 2019

Normalerweise denkt niemand in puncto Mode in erster Linie an Politik oder Religion. In jeder Kultur gibt es bestimmte Kleidungsstücke, die sofort mit einem Land verbunden werden. Sei es die Lederhose in Deutschland, der Schottenrock in Schottland oder eben das Kopftuch in einer Vielzahl muslimischer Länder. Kein Kleidungsstück sorgte in den letzten Jahren für mehr Diskussionen als der Hijab, denn an ihm haften unweigerlich die Worte Verhüllung und Zwang. Aber werden alle muslimischen Frauen dazu gezwungen ein Kopftuch zu tragen? Und inwieweit wird das Kopftuch für politische Zwecke missbraucht? Mit diesen Fragen beschäftigte sich gerade die Frankfurter Konferenz „Das islamische Kopftuch – Symbol der Würde oder der Unterdrückung?“, die bereits im Vorfeld zu Hetzkampagnen gegen die Organisatorin Susanne Schröter führte. Der Grundgedanke der Konferenz war dabei keineswegs nur die negative Kritik daran, ob eine Frau ein Kopftuch aus freien Stücken trägt oder nicht. Vielmehr sollte eine kritische Diskussion in einem wissenschaftlichen Rahmen auf Augenhöhe stattfinden, die sich mit dem System auseinandersetzt, das das Kopftuch nicht nur für religiöse, sondern auch politische Zwecke instrumentalisiert. Obwohl viele gegensätzliche Meinungen aufeinander trafen, sind sich am Ende alle darin einig, dass das Tragen eines Kopftuches auf keinen Fall einen Zwang darstellen sollte.

Die Frankfurter Konferenz war laut Schröter die Reaktion auf die Ausstellung „Contemporary Muslim Fashion“, die seit April im Frankfurter Museum Angewandte Kunst zu sehen ist und muslimische Kleidungsstile aus aller Welt präsentiert. Laut Schröter fehlen bei dieser Ausstellung sowohl der politische als auch der gesellschaftliche Kontext über islamische Mode. Kritik erfährt die Ausstellung auch von Seyran Ates, einer Anwältin, Imamin und Gründerin der liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin. Für sie steht die Verschleierung zunehmend für den politischen Islam und das Kopftuch diene als eine Art Flagge. Das Kopftuch sei weder zeitgemäß noch mit den heutigen Grundwerten zu vereinbaren. Denn das Bild der typischen muslimischen Frau, die nur verschleiert das Haus verlassen darf, entspringt ihrer Meinung nach der islamistischen Kopftuchbewegung.

Der Direktor des Museums und Mitkoordinator der Ausstellung Matthias Wagner K. weist die Kritik zurück. Das Hauptanliegen der Ausstellung liege darin zu zeigen, wie muslimische Bekleidungstraditionen als Ausdrucksmittel für die individuelle, religiöse und kulturelle Identität dienen und zeigt die verschiedenen Interpretation von „modest fashion“ (weniger körperbetonte Mode) aus aller Welt. Zu sehen sind viele verschiedene Outfits, die teilweise mit und teilweise ohne Kopfdeckung vorgestellt werden. Die Designerinnen stammen aus dem Nahen und Mittleren Osten, Malaysia, Indonesien, Europa und den Vereinigten Staaten und ebnen mit ihrer Mode den Weg in die Moderne. Aber auch westliche Marken wie beispielsweise Nike oder H&M sehen in der Entwicklung der Mode für muslimische Frauen natürlich ein enormes Potenzial und einen neuen Markt.

Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes, die sich für die Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von Mädchen und Frauen einsetzt, sieht die Ausstellung ebenso kritisch wie Ates und versteht sie als einen Schlag ins Gesicht von Mädchen und Frauen weltweit, die gezwungen sind, ein Kopftuch zu tragen. Das Kopftuch sollte nach Meinung der Organisation nicht als modisches Accessoire verherrlicht werden, denn im Gegensatz zu saisonalen Trends, kann es nicht nach Belieben oder Stimmung mal getragen werden und mal nicht. Viele Frauen haben keine Wahl und eine Auflehnung gegen den Zwang birgt Gefahren wie beispielsweise Strafe, Ausgrenzung oder sogar der Tod in Form von Ehrenmorden. Bestes Beispiel hierfür sind die Vorher/Nachher-Fotos auf Social Media Kanälen von einigen in der Türkei lebenden Frauen, die anlässlich der #10YearChallenge entstanden sind. Sie zeigen die Frauen einmal mit und einmal ohne Kopftuch. Sie haben sich dazu entschieden das Kopftuch abzulegen und erfahren nicht nur positive Reaktionen.

Die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Sichtweisen und Reaktionen zeigt einmal mehr, dass es bei dieser Debatte nicht darum geht ein generelles Kopftuchverbot zu erwirken. Das Hauptanliegen aller kritischen Stimmen besteht darin, Mädchen und Frauen darin zu unterstützen, selbstbestimmt handeln zu können. Und dazu gehört eben auch die Wahl ein Kopftuch zu tragen oder nicht.

 

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