Ethik & Gesellschaft

Einer von 80 Millionen

Die deutschen Großstädte wachsen. Berlin steuert unaufhaltsam der vier Millionen Marke entgegen und auch Hamburg ist bald bei zwei Millionen Einwohnern angelangt. Langjährige Stadtbewohner müssen in die neu erschlossenen Randgebiete ausweichen, weil die Mieten in der Stadt zu teuer werden und ein Haus für eine Familie unbezahlbar wird. Kaum zu glauben, dass in dieser Masse an Menschen ein Problem mit der Stadtgröße wächst: die Einsamkeit.

Veröffentlicht von Marie Mävers am 24. Juli 2019

Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) fühlen sich 9,5 Prozent der Menschen in Deutschland einsam und führen oft nur einmal im Monat ein persönliches Gespräch. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten IW-Studie hervor. Insbesondere in der Gruppe der 20- bis 29-Jährigen ist die Entwicklung der „einsamer Gewordenen“ im Vergleich zu 2013 um 29 Prozent gestiegen. Ein weiteres Problem, das Folgen haben könnte: Bei Einwanderern ist der Anteil derer, die sich einsam fühlen, mit 15 Prozent überproportional hoch. „Das sich immer mehr junge Menschen einsam fühlen, ist alarmierend. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass sie einsam bleiben, ist leider hoch. Außerdem zeigen Studien, dass Einsamkeit einen negativen gesundheitlichen Effekt hat“, meint auch der SPD Gesundheitsexperte Karl Lauterbach und fordert deshalb schon seit längerer Zeit einen Einsamkeitsbeauftragten.

Nicht nur Forscher und Politiker widmen sich diesem Phänomen, auch in den kulturellen Angeboten nimmt das Thema einen immer größeren Raum ein. So heißt es in dem Popsong „80 Millionen“ von Max Giesinger:

„Da wo ich herkomm wohnen eintausend Menschen
Im Ort daneben schon zweimal so viel
300 Tausend in der nächsten Großstadt
Und bald vier Millionen in Berlin (…)

Ich weiß es nicht doch ich frag‘ es mich schon
Wie hast du mich gefunden?
Einer von achtzig Millionen“
(Max Giesinger, 80 Millionen)

Und auch in dem Dokumentarfilm „Epidemie Einsamkeit“ von Eva Münstermann und Frédérique Veith heißt es: „Die Gründe für die wachsende Vereinsamung sind so vielschichtig wie das Gefühl selbst“. Denn von Einsamkeit sind nicht nur Ältere betroffen auch jüngere Erwachsene, insbesondere in den Städten, kennen dieses Gefühl. In Deutschland leben rund 41 Prozent der Menschen allein, in Schweden sogar 51 Prozent. Zudem ist der Mensch das Gefühl aus der Vergangenheit selten gewohnt: „Das Streben nach sozialer Einbindung ist tief im Menschen verwurzelt. Unsere Vorfahren waren auf den Zusammenhalt der Gruppe angewiesen, um zu überleben“, geht aus dem Dokumentarfilm hervor.

Einsamkeit – ein Gefühl, eine Lebenssituation, letztlich ein Phänomen, das auch durch die heutige Schnelllebigkeit, soziale und berufliche Mobilität und Flexibilität befeuert wird. Einsamkeit ist eine Folge unserer gesellschaftlichen Entwicklung, die sie gleichzeitig auch erfolgreich macht. Laut dem Statistischem Bundesamt wechseln jährlich rund sechs Prozent der Bevölkerung ihr Zuhause und viele haben es schwer direkt Anschluss zu finden. Einsamkeit ist folglich die Kehrseite der Medaille und neue soziale Netzwerke zu knüpfen ist nicht immer einfach, bestätigt auch Ulrich Lille, Präsident des evangelischen Wohlfahrtsverbands Diakonie.

Thematisch ein schöner Anlass, um den heutigen Tag der virtuellen Liebe zu feiern. Der auch als Virtual Love Day bekannte Tag, wurde im Jahr 2001 von Online-Partnerbörsen initiiert und soll vor allem Paare ermutigen, die sich über das Internet ineinander verliebt haben, sich offensiv dazu zu bekennen. Im Internet gibt es viele Möglichkeiten, wie sich einsame Singles kennenlernen können. Dies fängt bei zufälligen Bekanntschaften über Chats oder E-Mails an und setzt sich über die gezielte Nutzung von Singlebörsen oder Partnerbörsen bis hin zur Online-Partnervermittlung fort. Es ist doch erfreulich, dass die Gesellschaft für ihre selbstgegrabenen Löcher, eigene Lösungen findet.

Der Dokumentarfilm „Epidemie Einsamkeit“ wurde im Februar 2019 erstmalig auf 3sat ausgestrahlt. Zum Nachgucken finden Sie ihn hier in voller Länge auf Youtube.

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