2019 ist in jedem Fall ein besonderes Mondjahr. Am 3. Januar landete erstmals eine chinesische Raumsonde auf der Mondrückseite. Zudem haben wir es in diesem Jahr – erstmalig seit 1962 – mit der sogenannten Osterparadoxie zu tun. Der erste Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling ist eben diesmal nicht der Ostersonntag, sondern erst der 21. April. Eine präzise Erläuterung des Warum würde diesen Blog bei weitem sprengen. In jedem Fall gibt es wohl kaum einen Himmelskörper, der in Mythologie, Dichtung und Kulturen derart oft gewürdigt und verehrt wurde. Von der römischen Mondgöttin Luna über die Himmelsscheibe von Nebra bis zu Matthias Claudius‘ „Abendlied“. Der Hamburger Planetariums-Direktor Thomas W. Kraupe wies bei der Eröffnung der Ausstellung „VOLL DER MOND“ darauf hin, dass uns der Erdtrabant den Monat und eigentlich auch das irdische Leben geschenkt habe, da er die Rotationsachse der Erde stabilisiert. „Guter Mond, Du gehst so stille…“
Der mondfühlige Fotograf Wolfgang Köhler hingegen stalkt, wie er es ausdrückt, seit sechs Jahren in Vollmondnächten sein Motiv, als Rache für die eigene Schlaflosigkeit. Insofern verdanken wir somnambuler Verzweiflung die Ergebnisse seiner Mondjagd. Faszinierende Aufnahmen etwa aus dem Hamburger Hafen oder auf des Hanseaten Lieblingsinsel Sylt. Köhlers präferierter Moment: kurz nach Moonrise, wenn die „Schweinelaterne“ (Jägersprache) eben über den Horizont kriecht. Viele der Aufnahmen hat er mit Hasselblad-Kameras gemacht. Interessante Koinzidenz: Auch die NASA griff für ihre Mond-Missionen auf die Mittelformatkameras der schwedischen Firma zurück. Und so hängen auf der Galerie des Planetariums auch jene Fotos der Apollo 11-Mondmission, die sich in das kollektive Gedächtnis eingebrannt haben. Verblüffend ist die Brillanz der Aufnahmen aus der vordigitalen Zeit, die Köhlers Vollmondporträts spiegeln. Darunter auch eine der berühmten „Earthrise“-Aufnahmen, des Erdaufgangs über dem Mondhorizont, die der Naturfotograf Galen Rowell zurecht als die „einflussreichste Umweltfotografie, die jemals gemacht wurde“, bezeichnete.
Fast alle Kameras, die bei den Apollo-Missionen zum Einsatz kamen, verblieben übrigens aus Gewichtsgründen auf dem Mond. Neben den Magazinen mit den belichteten Fotos nahm man lieber Gesteinsproben mit zur Erde zurück. Wohl nur eine Hasselblad der Apollo-15-Mission im Jahre 1971 fand den Weg zurück auf unseren Planeten. Im März 2014 wurde sie von der Wiener Galerie WestLicht für 660.000 Euro an einen Japaner versteigert.
Uns terrestrisch Gebundenen aber vermittelt die Fotografie eine Ahnung davon, welch atemberaubendes Szenario sich den Apollo 11-Piloten Neil Armstrong und Edwin „Buzz“ Aldrin 1969 auf dem Mond bot, nachdem die Landefähre „Eagle“ aufgesetzt hatte. Und wir können uns glücklich schätzen, dass Lichtkünstler wie Wolfgang Köhler sich die halbe Nacht um die Ohren schlagen, um uns an Vollmond-Sehnsuchtsmomenten teilhaben zu lassen. Von Astronaut Aldrin stammt der schöne Satz: „Wer auf dem Mond gewesen ist, für den gibt es auf der Erde keine Ziele mehr.“
Die Foto-Ausstellung „VOLL DER MOND“ (Eintritt frei) ist noch bis zum 30. September 2019 im Planetarium Hamburg, Linnering 1 (Stadtpark), 22299 Hamburg zu sehen. Prädikat: Besonders wertvoll.
