Vielleicht haben Sie in Deutschlands Großstädten über die letzten Monate die zunehmende Anzahl an Fahrrädern mit blauen Vorderreifen beobachtet. Was mir in Hamburg wie ein an mir vorbeigegangener Trend vorkam, ist viel mehr eine unglaublich cleverer und vor allem umweltschonende Geschäftsidee. Die holländische Firma Swapfiets hat mit eben diesen Fahrrädern ein mobiles Verleihgeschäft ins Leben gerufen. Merkmal sind die blauen Vorderreifen, an allen verfügbaren Modellen, die sie zudem noch selbst entworfen haben. Das Geschäftsmodell sieht eine monatliche Mietrate für ein Fahrrad vor. Monatlich kündbar und mit einem 48 Stunden Reparaturservice. Außerdem wird das Fahrrad zu dem Mieter gebracht und wieder abgeholt. Ob sich dieses Geschäftsmodell bewehrt ist schwer vorauszusagen, insbesondere dann, wenn neue Teilnehmer sich diese Marktlücke ebenfalls erschließen. Erkennen werden wir es aber auf jeden Fall – an der Anzahl der blauen Fahrradreifen in unserer Stadt.
Dass die Fahrradbranche ein wachsendes Geschäftsfeld ist, beweisen einmal mehr die vergangenen drei Monate. Seitdem Corona in Deutschland angekommen ist, ist der Umsatz der Fahrradgeschäfte, um rund 15 Prozent gestiegen.
Dieser Fahrrad-Boom ist auch in Italien angekommen und wird mit dem staatlichen Programm „Buono mobilità“ (Mobilitäts-Paket) zusätzlich stark vorangetrieben. Mit Zuschüssen der Regierung werden die Menschen animiert, auf das Fahrrad umzusteigen und das funktioniert so: Wer sich ein, im weitesten Sinne zum Fahrrad gehörendes Fortbewegungsmittel zulegt, bekommt 60 Prozent des Kaufpreises vom Staat. Höchstens allerdings 500 Euro. Vorausgesetzt der Käufer lebt in einer großen Stadt oder in einem der Ballungsräume. Via Internet meldet sich der Käufer bei einer staatlichen Stelle an, weist sich aus und bekommt dafür einen Gutschein. Mit dem Gutschein geht er zum Händler, der zieht den Staatszuschuss gleich vom Preis ab und holt ihn sich später beim Staat zurück. Dieses internetbasierte System läuft noch nicht einwandfrei und so müssen sich die Käufer vorerst mit der etwas umständlicheren Variante zufrieden geben und sich mit der Rechnung die Prämie nachträglich holen. Ziel ist es, dass diese Förderung zu einer „alternativen Mobilität“ in den großen Städten und urbanen Ballungsräumen beiträgt, erklärt die zuständige Ministerin für Infrastruktur und Transport, Paola De Micheli.
Auch in Deutschland gibt es solche Gedanken, allerdings bisher nur durch den Arbeitgeber gefördert oder eine finanzielle Unterstützung zur Anschaffung von Lastenrädern. Noch bis zum 31. Dezember 2021 werden private und gewerbliche Neuanschaffungen von Lastenrädern mit oder ohne Pedelec-Antrieb als auch Lastenanhänger mit 33 Prozent gefördert. Lastenräder mit Elektro-Antrieb erhalten einen maximalen Zuschuss von 2000 Euro, Fahrräder ohne Antrieb und Lastenanhänger bis zu 500 Euro. Aktuell wird sich allerdings vorrangig, zum Ankurbeln der Wirtschaft, um eine Kaufprämie für Autos gesorgt.
In Italien ist das Mobilitätspaket 120 Millionen Euro stark und wird voraussichtlich aus dem vom „Recovery Fund“ der Europäischen Union, in Höhe von 170 Milliarden Euro, kommen. Ein Verbund von 30 Kommunen in der Region Emilia-Romagna will das Regierungsprogramm zusätzlichen durch die Initiative „Bike to work“ ergänzen. Diese Förderung beinhaltet, dass Radfahrer für den Weg zur Arbeit bis zu 50 Euro im Monat Kilometergeld bekommen, mehr Fahrspuren für den öffentlichen Nahverkehr und 250 Kilometer neue Fahrradwege bereitgestellt werden, Pendler, die mit Eisenbahn und Rad zur Arbeit fahren, Zuschüsse zum Kauf eines Klapprades bekommen und sie das Klapprad kostenlos in der Bahn transportieren können.
Bisher ist das Interesse am Radfahren und der damit verbundenen Kaufprämie sehr groß. Viele Fahrradgeschäft in Italien sind leer gekauft und die durch die Corona bedingten Lieferengpässe und Produktionspausen, haben ebenfalls dazu beigetragen, dass die Italiener nicht einfach mehr in ein Fahrradgeschäft gehen können und es mit einem Fahrrad wieder verlassen. Swapfiets gibt es übrigens erst in Holland, Deutschland, Belgien und Dänemark und ist ein Beispiel für Geschäftsmodelle der Zukunft, die an unsere Umwelt denken.