Die Romane sind mehr erschreckend als polarisierend, denn auch wenn immer mal wieder Kritik an Maja Lundes prognostizierten Zukunftswelt in den Romanen aufkommt, trifft sie zuallererst unsere tiefste Angst. Im aktuellen Roman werden laut Lundes Recherchen, die meisten Menschen auf dem europäischen Kontinent 2064 verdurstet, die Staaten aufgelöst und die technische Zivilisation erloschen sein, während im Süden Norwegens, in einem nicht mehr enden wollenden Regen, das Gras verfault. Mit diesen drastischen Prognosen ist sie auch in wissenschaftlichen Kreisen nicht allein, aber sie beschreibt das Worst-Case-Szenario eben in schönen Worten, mithilfe von Romanfiguren, mit denen der Leser mitfühlt und sich wohl oder übel identifiziert. In allen drei bisher erschienenen Romanen macht Lunde mit uns eine Reise durch die Zeit und führt uns damit auf jeweils knapp 700 Seiten vor Augen, dass WIR für alles verantwortlich sind. Wir und unser Bestreben nach „schneller, höher, weiter“ – eine Welt und Zivilisation wie sie heute ist.
Diese Erklärung der Faszination beschreibt auch der Journalist Thomas Steinfeld in der Süddeutschen Zeitung:
„Das Ende der Menschheit ist, aus der Perspektive des Romans betrachtet, zwar schrecklich. Zugleich aber ist es ein Traum von Erlösung: von der Geschichte, von der Technik, von Staat und Gesellschaft, von Zivilisation und Kultur und von allen anderen Errungenschaften, die ein Kollektivsubjekt namens Mensch sich in den vergangenen zehn- oder zwanzigtausend Jahren erworben hat.“
Letztendlich zieht der Mensch sich in allen drei Romanen von jeglichen Versuchen zurück, die Natur beherrschen zu wollen, und verfällt der Natur dabei wieder selbst.
Nun aber noch kurz zum Inhalt des aktuellen Romans. „Die Letzten ihrer Art“ umfasst wieder drei parallel verlaufende Geschichten in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Wie der Titel vermuten lässt widmet sich Lunde in diesem Roman dem Artensterben, genauer gesagt dem Aussterben der Wildpferde. Signifikant für die Handlung dieses Romans ist die Geschichte der Zukunft, in der drei Frauen in Norwegen vergeblich versuchen, die Vielfalt der Arten zu wahren: über drei Generationen hinweg mit einer Art Wildpark, in dem sie wie Noah, zwei Tiere jeder Art z.B. Wölfe und Schneeleoparden halten und pflegen. Übriggeblieben im Jahr 2064 sind aber nur noch ihre Wildpferde, die hingegen in der Geschichte der Vergangenheit, 1881 in der Mongolei, gerade erst wiederentdeckt worden sind. Damals für ausgestoben gehalten, hat der Mensch es über zwei Jahrzehnte dann wirlich fast geschafft, ihnen ihren Lebensraum zu nehmen.
Auch wenn die Tiere im Fokus dieses Romans stehen, und damit komme ich zurück auf die Fazination für Lundes Bücher, bleibt vielmehr das wir offen. Denn wenn es zum großen Artensterben kommt, das nur die gruseligen Allesfresser Krähen und Elstern überleben, wie viele unserer Art werden es schaffen? Eine Frage, die dieser Tage mit einem makabren Corona-Virus-Beigeschmack offen bleibt.
*Randnotiz der Redaktion: Heute ist übrigens Internationaler Darwin Tag, um der weitreichenden wissenschaftlichen Bedeutung von Darwins „On the Origin of Species“ und der darin formulierten Evolutionstheorie zu gedenken. Denken Sie darüber nach.
Die Letzten ihrer Art, Maja Lunde, btb Verlag, ISBN 978-3-442-75790-9, Hardcover 22 Euro