Kultur

Alles ist Wasser

Unser Alltag wird bestimmt von den neuen Medien. Wir arbeiten mit Computern, kommunizieren über unser Smartphone und selbst brandaktuelle Nachrichten erreichen uns digital über das Internet. An dem heutigen „Lies-ein-Buch-Tag“ geht es darum, durch das Lesen eines Buches, den Alltag zu entschleunigen. Eine Empfehlung unsererseits, wie das mit einem gleichzeitig beeindruckenden Buch funktionieren kann, bietet der neue Roman von Maja Lunde.

Veröffentlicht von Marie Mävers am 6. September 2019

Die Schlagwörter Klimawandel, CO2-Ausstoß und Insektensterben sind Teil der täglichen Berichterstattung geworden. Die Gefahr an Nachrichtenmeldungen ist allerdings, dass sie mit einer gewissen Distanz betrachtet werden können. Auch wenn der Klimawandel nicht mehr diskutabel ist und sich aktiv um Maßnahmen gekümmert wird, wie jeder Mensch einen Beitrag leisten kann und muss, um die Zerstörung der Erde aufzuhalten, besteht die Gefahr, dass viele Menschen sich noch nicht betroffen fühlen, weil die Auswirkungen noch nicht überall dramatisch sind.

Wenn Sie Maja Lundes „Die Geschichte des Wasser“ gelesen haben, führt an der Betroffenheit kein Weg mehr vorbei. Lundes Roman macht uns betroffen und schlägt direkt ins Herz, Bauch und vor allem in den Verstand ein. 

In ähnlichem Stil wie in ihrem ersten Bestseller-Roman „Die Geschichte der Bienen“, verbindet Lunde eine Geschichte der Gegenwart, in Norwegen 2017, mit der Zukunft, in Frankreich 2041. Zentrales Thema der Geschichten ist das Element Wasser. Im Norden dreht sich die Geschichte um die Natur Norwegens und die Absichten der Menschen, diese Naturgewalten zu Geld zu machen. Die Zukunft spielt im Süden Frankreichs und offenbart, wie die Natur zurück schlägt. Hier gibt es außer dem weiten salzigen Ozean nicht mehr genug Wasser und die Menschen fliehen vor Feuer und Dürren – wollen in den Norden – in die Wasserländer. Den Kreislauf aus Gegenwart und Zukunft, aus Norden und Süden, unserem runden blauen Planeten, verbindet ein Segelboot und das Meer, das sich am Ende wie die Nord- und Ostsee trifft. 

Frankreich 2041: „Thomas lachte darüber, in was für eine Misere wir Menschen uns selbst gebracht hatten. Die Stromproduktion in den Kohlekraftwerken hatte den Klimawandel und den Wassermangel hervorgerufen, und jetzt brauchten wir noch mehr Strom, um sauberes Wasser herzustellen.“

Wie eingangs beschrieben, fällt es leichter bei Nachrichten eine gewisse Distanz zu wahren. Auch ein Roman birgt die Gefahr, als fiktiv abgestempelt zu werden. Die Worte von Lundes Romanfigur berühren einen aber auf eine andere Art und Weise. Denn der Roman ist weit entfernt von Fiktion oder einer Utopie. Die nächste Generation, unsere Kinder, deren Kinder, könnten diese Figuren im Jahr 2041 sein. Wenn wir uns also dabei erwischen, uns mit Romanfiguren zu identifizieren, sich mit ihnen zu freuen, zu lieben und zu weinen – dann wird uns in diesem Roman erschreckend bewusst, dass die „Sympathie für den Mörder“ nicht mit dem Zuklappen des Buchdeckels vorbei ist. Die Fiktion ist längst Realität. Das stellt auch die Romanfigur der Gegenwart aus Lundes Roman fest, wenn sie das blinde Eingreifen der Menschen in Norwegens Natur beobachtet: 

Norwegen 2017: „Solche wie sie, solche wie Magnus, glauben immer, alles wäre einfach, man müsste nur ein Pflaster kaufen, das groß genug ist, und schon würde die Wunde verheilen, aber das Pflaster bewirkt nichts, solange die Wunde nicht gereinigt wurde, solange Schmutz, Steinchen und Staub noch im Fleisch brennen.“

Wir wissen bereits, dass kein noch so großes Pflaster ausreichen wird. Wir befinden uns in einer Not-OP. Es wird nur Zeit, dass sich auch alle Menschen so verhalten, als gehe es um Leben und Tod – im Sinne des Patienten Erde.

Die Geschichte des Wassers, Maja Lunde, btb Verlag, ISBN 978-3-442-71831-3 , Taschenbuch 11 Euro 

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