Kultur

Die im Dunkeln sieht man nicht

Kaum eine andere Debatte hat so hohe Wellen geschlagen und mediale Aufmerksamkeit erregt, wie die Aufdeckung der sexuellen Missbrauchsfälle in Hollywood. Daraus entstanden ist der #MeToo. Tausende Frauen weltweit melden sich zu Wort, nutzen die Chance und machten das Geschehene öffentlich. Doch gibt es unzählige Betroffene, die sich nicht trauen, an die Öffentlichkeit oder gar zur Polizei zu gehen. Warum ist das so? Was geht in den Opfern vor? Marlene Lufen weiß dies ganz genau, denn auch sie ist ein Opfer sexueller Gewalt geworden. Nun hat sie ein Buch geschrieben, in welchem sie den quälenden Prozess schildert, den Opfer durchlaufen müssen. In „Die im Dunkeln sieht man nicht“, will sie Antworten aufzeigen und Betroffenen Mut machen, ihre Stimme zu erheben.

Veröffentlicht von Silke Hirschfeld am 17. Juli 2018

Die Journalistin und Moderatorin Marlene Lufen (http://marlenelufen.de/)ist für viele Menschen durch das Frühstücksfernsehen auf Sat. 1 ein bekanntes Gesicht. Als ehemalige Schirmherrin des HanseMerkur Preises für Kinderschutz und Patin des TV Schiefbahn 1899 e.V. setzt sie sich außerdem aktiv für soziales Engagement ein und rückt auf diese Weise sozial schwächere Menschen in das Blickfeld der Gesellschaft. Am 23. August 2016 entschließt sie sich, durch einen Facebook-Post ein weiteres ernstes Thema in den Fokus der Öffentlichkeit zu bringen: Sexuelle Gewalt gegenüber Frauen. Und sie geht noch einen Schritt weiter, denn sie erzählt ihre eigene Geschichte. In den folgenden Monaten schreiben ihr viele Frauen und auch Männer, die Ähnliches erlebt haben und ihr Schweigen genauso wie Marlene Lufen endlich brechen möchten. Lufen entschließt sich, Frauen zu kontaktieren, die mit ihr über das Erlebte sprechen wollen und beschließt, ihnen mit ihrem Buch „Die im Dunkeln sieht man nicht – Warum missbrauchte Frauen schweigen“ stellvertretend für viele andere Betroffene eine Stimme zu geben.

Häusliche Gewalt und Vergewaltigung, Missbrauch an Kindern, sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz und Vergewaltigung durch fremde Menschen. Dies sind nur Ausschnitte der Schilderungen, die Lufen in ihrem Buch niedergeschrieben hat. Die Erlebnisse der Frauen sind im ersten Moment schwer zu begreifen und lassen den Leser erst einmal fassungslos zurück. Sexuelle Gewalt passiert. Jeden Tag. Und Frauen schweigen, weil sie sich schämen. „Nur etwa fünf Prozent der Opfer erstatten Anzeige“, und die Gründe hierfür sind zahlreich. Das Erlebte erneut zu erzählen ist für viele Frauen unvorstellbar. Noch schlimmer ist der Gedanke, dass sie sich selbst hierdurch schaden oder ihnen niemand glaubt. Als Leser ist der Gedankengang, dass diese Frauen als Lügnerinnen dargestellt werden, quälend. Und doch werden sie mit diesen Anschuldigungen konfrontiert. So geschehen bei Wiebke, heute 51 Jahre alt, die als Kind jahrelang von ihrem Stiefvater missbraucht und vergewaltigt wurde. Als sie sich entschließt, sich ihrer Tante anzuvertrauen, stellt diese Wiebke als Lügnerin dar und überlässt sie ihrem Schicksal. Es ist niederschmetternd, diese Worte zu lesen. Und doch passiert im Verlauf des Buches etwas Überraschendes: Der Leser schöpft zusammen mit den Frauen Hoffnung. Denn die Geschichten zeigen nicht nur die schlimmen und kaum zu fassenden Seiten des Erlebten auf, sondern auch den Mut der Frauen, sich und ihr Leben nicht aufzugeben.

Diesen Mut weiterzugeben schafft Marlene Lufen auch durch ihren eigenen Gang zur Polizei, bei dem sie Anzeige erstattet. Sie beschreibt sehr genau, welche Fragen gestellt werden und was die Betroffenen bei der Vernehmung erwartet. Ebenso verhält es sich bei ihrer Recherche, wie Gerichtsverfahren ablaufen und welche Möglichkeiten Betroffene haben, um sich während dieser aufwühlenden Zeit sicher fühlen zu können. Durch ihre kritische Auseinandersetzung ermöglicht Marlene Lufen außenstehenden Personen einen Einblick in diese traumatischen Erfahrungen und zeigt Betroffenen Wege ihre Erlebnisse zu verarbeiten.

Das Buch ist 2018 erschienen und auf Amazon hier bestellbar.

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