„Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen“, gemahnte einst der Schriftsteller Charles Reade (1814-1884) im Rekurs auf ein chinesisches Sprichwort. Und ein Blick in die USA dieser Tage unterstreicht, wie aktuell seine Warnung war. Eine Diskussion zum verletzenden Kern bestimmter Begriffe im politischen Diskurs soll auch die Wahl des „Unwortes des Jahres“ anstoßen. Hier besonders sensibel zu sein und immer mit zu reflektieren, dass auch ein „Ratschlag“ ein Schlag sein kann, ist das Hauptanliegen der Sprachkritischen Aktion. „Der Konsens darüber, wo die ‚Grenzen des Sagbaren‘ liegen, ist heute so brüchig wie nie in den vergangenen Jahrzehnten. Gerade deshalb erscheint es uns weiterhin wichtig, exemplarisch auf Verschiebungen dieser Grenzen öffentlich hinzuweisen, wenn sie einen sachlichen, an Fakten orientierten und nicht-diskriminierenden Diskurs gefährden“ heißt es in der Pressemitteilung zur Bekanntgabe des „Unwort-Paares“ 2020.
- Corona-Diktatur. Diese Wortschöpfung zur Diskreditierung regierungs-politischer Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie stammt aus der sogenannten „Querdenker“-Bewegung sowie von rechtspopulistischen Propagandisten und unterstellt, dass der deutsche Rechtsstaat sich zu einem autoritären System entwickelt hat. Die Jury schreibt: „Zudem verharmlost der Ausdruck tatsächliche Diktaturen und verhöhnt die Menschen, die sich dort gegen die Diktatoren wenden und dafür Haft und Folter bis hin zum Tod in Kauf nehmen und fliehen müssen.“
- Rückführungspatenschaften. Ein besonders zynischer Begriff stammt aus der EU-Kommission, die damit im September 2020 einen neuen Mechanismus in der Migrationspolitik umschrieb. Kurzum: Jene EU-Staaten, die sich weigern, Flüchtlinge aufzunehmen, sollen ihrer Solidarität mit anderen EU-Mitgliedern dadurch gerecht werden, dass sie die Verantwortung für die Abschiebung abgelehnter Asyslbewerber übernehmen. Wie menschlich wertschätzend doch „Rückführung“ klingt und wie positiv christlich belegt der Begriff „Patenschaft“ doch eigentlich Verantwortungsübernahme und Unterstützung von Hilfsbedürftigen suggeriert. Das beschönigende Kompositum lässt als Unwort die Abschiebung von Migranten fast als eine humane Aktion erscheinen.
Unter Pandemie-Bedingungen wird in diesem Jahr zum 17. Mal das Unwort des Jahres auch von neun Darmstädter Fotografen im digital-virtuellen Raum künstlerisch umgesetzt und interpretiert. Der Tag für die Vernissage im audio-visuellen Format steht bereits fest: Donnerstag, 11. März 2021. Freuen Sie sich auf hintergründige Fotografie und ein vertiefendes Rahmenprogramm. Ort und Zeitrahmen werden noch auf www.unwort-bilder.de bekannt gegeben.