Philip Schlaffer hat eine 20-jährige Radikalisierungskarriere hinter sich. Er vertrieb indexierte Rechtsrock-CDs, gründete ein Klamotten-Label für Neonazi-Hooligans, baute in Wismar eine Werwolf-Kameradschaft auf, dann einen kriminellen Rocker-Motorradclub, bis er ab 2014 wegen Drogenhandels und Wohnungsprostitution eine 34-monatige Strafe in der JVA Stralsund absitzen musste. Noch im Strafvollzug machte er sich mit einem Psychologen und einer evangelischen Pastorin auf die Suche nach seinem zweiten Leben, das ihn als Anti-Gewalttrainer in die Präventionsarbeit auch gegen politische Radikalisierung führte und 2017 den Verein Extremislos e.V. in Stockelsdorf bei Lübeck gründen ließ. Schlaffer geht heute in Brennpunktschulen, hält Vorträge, gibt Workshops und unterweist sogenannte „Unbeschulbare“ ohne Impulskontrolle in Kompetenztrainings. Er spricht ihre Sprache, hat Street Credibility und arbeitet nach dem Leitsatz, den er in seinem Buch niedergeschrieben hat: „Man wird Menschen, die sich in der Gesellschaft disqualifiziert haben, nicht in deren Mitte zurückholen, indem man sie dauerhaft verstößt.“
Wir sprachen mit Philip Schlaffer entlang der Kapitel seines Buches über die starken Gruppendynamiken, die in extremistischen Strukturen wirken und wie wichtig es ist, dass die Gesellschaft die Betroffenen nicht dauerhaft stigmatisiert, sondern ihnen die Hand reicht. Und wir erfuhren auch von seiner Sorge, wie die Neue Rechte heute – wie jüngst in Leipzig – die sogenannten „Hygiene-Demos“ für ihre Zwecke kapert: „Ich mache mir große Sorgen. Die Demokratie muss auch wehrhaft sein“, so Schlaffer.
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*Philip Schlaffer, Hass.Macht.Gewalt. Ein Ex-Nazi und Rotlicht-Rocker packt aus. Droemer Verlag, München, April 2020, 328 Seiten, ISBN: 978-3-426-27825-3, 18,00 Euro
