HomeOffice, Minimierung der freizeitlichen Aktivitäten und kaum soziale Kontakte für einen Zeitraum von nun über 600 Tagen zerrt an den Nerven jedes einzelnen Menschen, da wird sich kaum jemand rausnehmen können. In der letzten Zeit haben sich viele Menschen vermutlich das erste Mal richtig mit sich auseinandergesetzt, nicht weil sie sich sonst nicht für sich selbst interessieren, sondern viel eher, weil sie endlich einmal die Zeit dazu gefunden haben. Seien Sie einmal ehrlich zu sich selbst; Wann haben Sie sich das letzte Mal Zeit für sich genommen? Nichts gemacht, außer sich auf sich selbst zu konzentrieren, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen? Ich möchte die Corona-Pandemie auf gar keinen Fall schönreden, denn das ist sie keinesfalls, aber sie hat den Menschen die Möglichkeit gegeben, sich Zeit für sich zu nehmen. Viele haben angefangen sich selbst, ihr Handeln und ihr Leben zu hinterfragen. Ich weiß nicht, wie oft ich in dieser Zeit Sätze wie diese gehört habe:
„Ich habe noch nie so viel Zeit für mich gehabt.“
„Zugegeben ich weiß, warum ich mich lange Zeit nicht mit mir auseinandergesetzt habe, jetzt, nachdem ich es getan habe, muss ich etwas verändern. So deutlich war es mir noch nie. Ich möchte mein Leben genießen. Warum ist mir das nicht schon viel eher aufgefallen?“
Die fehlende Interaktion der Menschen untereinander hinterlässt aber auch nicht unerhebliche Spuren. Vielleicht finden Sie sich selbst und Ihr Umfeld hier teilweise wieder: Bestimmte Verhaltensmuster werden zu schlechten Angewohnheiten und durch die fehlenden Kontakte zu Ihrem Umfeld weist Sie keiner darauf hin. Eine blöde Angewohnheit ist zum Beispiel das Ablecken des Messers. Bei uns in der Familie wurde immer darauf geachtet, dies nicht zu tun, gerade als wir klein waren. Vor gar nicht allzu langer Zeit habe ich doch glatt meine Oma bei dem Versuch das Messer abzulecken ertappt. „Oh stimmt Pia, da hast du mich aber erwischt. Früher haben wir viel mehr drauf geachtet, damit ihr Kinder das nicht annehmt.“ Wahnsinn, wie schnell sich bestimmte Verhaltensmuster doch einschleichen. Wenn man dann von Freunden, Bekannten oder der Familie nicht darauf hingewiesen wird, wird es immer schwerer diese wieder los zu werden.
Doch nicht nur die Verhaltensweise ändern die Menschen, sondern auch ihre Lebensweise und sich selbst. Wir berichteten bereits, dass sich das Konsumverhalten der Deutschen im vergangenen Jahr verändert hat. Während der eine Teil immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit, Regionalität und Achtsamkeit im Zusammenhang mit dem eigenen Körper sowie dem Umfeld setzt, gewinnt bei dem anderen Teil der Gesellschaft die Bequemlichkeit. Fitnessstudios und Sportvereine mussten ihren Betrieb vorerst einstellen und kommen nur langsam wieder zurück in den Normalzustand. Es entstehen in der Gesellschaft zwei Gruppen von Menschen. Die einen, die sich mich sich und ihrem Leben aktiv auseinandersetzen und die Pandemiezeit für sich und ihre Entwicklung genutzt haben und die anderen, die sich ein wenig auf der gegenwärtigen Situation ausruhen.
Mit der lang herbeigesehnten Rückkehr in ähnliche Alltagsstrukturen, die wir von vor der Pandemie kannten, treffen diese beiden Gruppen wieder aufeinander und wie Sie es wahrscheinlich selber schon erlebt haben kann es zu Reibung, Auseinandersetzungen oder Kommentaren kommen, die mehr auslösen als vermutet oder beabsichtigt.
Veränderungen in den Ernährungs- und Lebensgewohnheiten führen in den meisten Fällen auch dazu, dass sich die Menschen körperlich und vermutlich auch mental verändern. Wenn nun die Mitmenschen die Person wieder sehen gibt es unterschiedliche Reaktionen, die nicht immer zielführend, sondern leider auch verletzend sein können oder die Menschen, die sich verändert haben, an sich zweifeln lassen.
Gewichtsabnahmen beispielsweise finden nicht immer nur statt, weil sich die Person vorgenommen hat Gewicht zu verlieren, sondern es kann viele Ursachen haben: Stress im Arbeits- oder privaten Umfeld, psychische Probleme jeglicher Art oder körperliche Erkrankungen. Wenn die betreffende Person mit Sätzen wie:
„Oh Du siehst aber schön aus!“
„Du hast Dich aber positiv verändert.“
„Großartig, was aus Dir geworden ist.“
„So eine große Veränderung macht bestimmt einiges mit Dir, Du fühlst Dich bestimmt jetzt richtig wohl!“
konfrontiert wird, können Gefühle, Gedanken und Zweifel entstehen, die so gar nicht gewollt waren.
Ich möchte Ihnen nicht sagen, dass Sie Menschen, die Ihnen etwas bedeuten nicht sagen sollten, dass Sie die Veränderung wahrnehmen, das in keinem Fall. Es geht viel mehr um das Herausfinden des Grundes für die Veränderung. Wenn man entfernte Kollegen und Kolleginnen nach über einen Jahr auf dem Flur triff, nicht einmal fragen kann, wie es der anderen Person geht, sondern direkt zu hören bekommt, dass man sich nun aber auch genug verändert hat und doch bitte aufpassen sollte nicht in eine Essstörung zu geraten, ist das kontraproduktiv, doch mehrfach genauso passiert. Ich gehe davon aus, dass es gewiss nicht böse gemeint ist, wenn sie Äußerungen wie diese treffen, sich viel eher der Veränderung des gegenüberstehenden Menschen bewusst werden. Trotzdem ist das, meiner Meinung nach, keine angemessene Begrüßung. Haben Sie ein wenig Fingerspitzengefühl bei den Aussagen, die Sie aber auch Ihr Umfeld treffen.