Ethik & Gesellschaft

Off-University: Wo Geflüchtete und politisch Verfolgte studieren

Bildung ist eine tragende Säule für eine Gesellschaft: Der Zugang zu Bildung hat die Macht, sich aus Armut zu befreien, befähigt zum freiheitlichen Denken und Handeln, ist ein Ticket für eine freie, vielfältige Gesellschaft. Wissen ist Macht. Nicht umsonst sind es die Bildungseinrichtungen und Akademiker, die oftmals als Erstes beschnitten werden, wenn es darum geht, Freiheitsrechte einzuschränken, eine Gesellschaft unter Kontrolle zu bringen. Vor rund vier Jahren haben sich unterdrückte Akademiker mit internationalen Universitäten zusammengeschlossen, um eine Plattform zu schaffen, die verfolgten und geflüchteten Menschen die Möglichkeit zum Studieren gibt: Die Off-University.

Veröffentlicht von Tanja Johannsen am 24. August 2021

In Belarus und aktuell auch in Afghanistan wird uns vor Augen geführt, was es bedeutet, wenn der Zugang zur Bildung eingeschränkt, staatlich kontrolliert und reglementiert wird. Noch deutlicher wird es, wenn wir einen Blick in die Türkei werfen: In Folge des gescheiterten Militärputsches 2016 ging die türkische Regierung hart gegen Akademiker vor. Wer dem Staat nicht passte, wurde – und wird noch immer – als Terrorist verurteilt und mit einem Berufsverbot belegt. Ihnen werden die Pässe abgenommen, viele werden inhaftiert. Laut Human Rights Watch wurden bis 2018 insgesamt 5.800 Akademiker in der Türkei aus ihren Positionen entfernt. Dieses unglaubliche Vorgehen war für eine kleine Gruppe von Akademikern im Jahr 2017 der Anstoß für die Gründung einer Bildungseinrichtung, die frei von Zensur und autoritärer Überwachung ist – und für jeden von überall auf der Welt zugänglich: Die Off-University.

Gegründet von 25 exilierten Akademikern entwickelt die Off-University mit Basis in Berlin nach eigenen Worten neue Strategien zur Erhaltung und Unterstützung akademischen Lebens und Wissens, wo sie von antidemokratischen und autoritären Staaten bedroht werden. Über eine sichere und anonyme Online-Plattform werden Kurse angeboten, die von gefährdeten und verfolgten Exil-Akademikern aus der ganzen Welt geleitet werden. Die Kurse reichen von Themen wie Friedensforschung, Rassismus und Kolonialismus bis hin zu Religion und Macht sowie Gender Studies. Die Themenvielfalt ist breit gefächert, ein besonderer Schwerpunkt liegt jedoch auf Fächern, die in vielen repressiven Regimen bedroht sind oder gar zensiert werden, wie kritische Studiengänge oder eben auch Gender Studies. Das Studieren an der Uni ist kostenlos und steht Studenten aus der ganzen Welt offen. Sicherheit ist dabei ein wichtiges Thema und so bietet die Off-University ihren Studenten eine anonyme und sichere Nutzung. So können beispielsweise IP-Adressen nicht zurückverfolgt werden und auch die Verwendung von Pseudonymen ist erlaubt, um die Identität derjenigen zu schützen, die in autoritären Regimen leben.

Die Off-University arbeitet mit renommierten Universitäten zusammen, darunter die Humboldt-Universität in Berlin und die Ludwig-Maximilian-Universität München (LMU). Darüber hinaus werden auch Kurse von der New University in Exile Consortium angeboten, einer Gruppe von Bildungsinstituten, die Akademiker im Exil auf der ganzen Welt unterstützen. Akademiker, die an der Off-University lehren möchten, können zum jeweiligen Semester selbst Themen einreichen, über die per Ausschreibungsverfahren entschieden wird. Wer dazu mehr erfahren möchte, kann sich hier informieren.

Aktuell ist die Off-University ein reines Online-Projekt. Das langfristige Ziel ist jedoch „eine Friedensuniversität zu schaffen, die Präsenzveranstaltungen und digitale Bildungsangebote kombiniert“.

 

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