Physiologisch stützen die Anthropologin Leslie Aiello von der University of London und ihr Kollege Peter Wheeler von der University of Liverpool diese Erkenntnis auf die Entwicklung des menschlichen Darms. Dieser hat sich im Laufe der Evolution deutlich verkleinert. Im Vergleich zu anderen Säugetieren von der Größe eines Menschen, ist der Darm um 900 Gramm leichter geworden. Außerdem lassen Skelettfunde die Schlussfolgerung zu, dass beim frühen Menschen das Wachstum des Gehirns offenbar mit der Reduzierung der Darmlänge einher ging. Denn das Volumen des Hirns habe sich dagegen in den vergangenen drei Millionen Jahren mehr als verdreifacht.
„Kochen ist ein technologischer Weg, den Verdauungsprozess teilweise auszulagern“, stellt Aiello fest. „Es reduziert nicht nur Gifte in der Nahrung, sondern macht diese auch leichter verdaulich“. Aus diesem Grund wurde nur noch ein kleiner Darm benötigt und die überschüssige Energie ist in die Entwicklung des Gehirns geflossen.
Warum genau das Gehirn der Nutznießer dieser Entwicklung war lässt sich vor allem genetisch erklären. Das Gehirn ist seit jeher das Zentrum unseres Organismus – es macht nur zwei Prozent unseres Gesamtkörpers aus, ist aber mit rund 20 Prozent der größte Energieschlucker. Diesen Hunger konnte der Mensch durch die Erfindung des Kochens vor rund 1,8 Millionen Jahren anfangen zu stillen, indem er nicht mehr wie Schimpansen sechs Stunden am Tag mit Kauen vergeuden musste. Die Erfindung des Kochens ist für den Harvard-Anthrophologen Richard Wrangham folglich die wichtigste Voraussetzung für die folgenden Entwicklungssprünge des Menschen. „Für ihn fing der Mensch also nicht an zu kochen, weil er schlau geworden war, sondern er wurde schlau, weil er anfing zu kochen.
In der physischen Entwicklung des Menschen gibt es noch weitere Erkenntnisse, die diese Tatsache stützen. Das Jenaer Institut für Humangenetik sammelt seit dem neunzehnten Jahrhundert Daten der Entwicklung des menschlichen Körpers und konnte nachweisen, dass allein die Europäer innerhalb eines halben Jahrhunderts allein dank guter Kost, um rund fünfzehn Zentimeter gewachsen sind. Heute ist ein achtzehnjähriges Mädchen aus Deutschland siebzehn Zentimeter größer als eine Gleichaltriger in Kalkutta.
Der hohe Energiebedarf unseres Gehirns, verbunden mit unserer gesellschaftlich veränderten Ernährungsweise, wird uns seit Ende des 20. Jahrhunderts aber langsam selbst zum Verhängnis. Schlicht, weil unsere Ernährung immer ungesünder wird. Evolutionsbedingt verlangt das Gehirn nach Energie, um im Körper Vorräte für schlechte Zeiten anzusammeln – gleichzeitig verspüren wir einen unstillbaren Heißhunger auf alles was dick macht. Vor allem auf Zucker, denn dadurch wird das Belohnungszentrum in unserem Gehirn aktiviert, dass uns Dopamin-Schübe versetzt. Hinzu kommen die verfügbaren Lebensmittel. Nicht förderlich ist die Tatsache, dass in der industriellen Landwirtschaft nachweislich zu viele Pestizide und Co. verwendet werden und somit unsere Ernährung verunreinigen. Unsere Gehirne scheinen aufgrund dieser Tatsachen sogar wieder zu schrumpfen. In Großbritannien kam man zu der Erkenntnis, dass die genetische Komponente der Intelligenz pro Generation um einen halben Prozentpunkt sinkt.
Kochen macht uns als genau so schlau, wie dumm. Wir haben nur einen Ausweg aus diesem Dilemma: Unser Gehirn überlisten, indem wir uns gesund ernähren und nicht zulassen, dass es die Kontrolle über uns übernimmt.