Hände waschen und desinfizieren, Maske tragen und 1,5 Meter Abstand halten, gehört für uns momentan zur Realität. Die Menschen in den Flüchtlingslagern stehen stundenlang an, um an fließendes Wasser zu kommen. An Desinfektion zum Schutz vor Ansteckungen, ist schwerlich zu denken. Den Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten ist ebenfalls nicht möglich, wenn man bedenkt, dass das Lager für 3.000 Menschen angelegt worden ist und nun mit 19.000 Personen aus allen Nähten platzt. Forscher warnen immer öfter davor, dass die Infektionsgefahr in den Lagern von Minute zu Minute steigt. Jede Hilfe die geleistet wird, ist und wäre ein Schritt in die richtige Richtung.
Da das Dorf Moria seinen Bewohnern keine ausreichende und medizinische Versorgung zukommen lassen kann, sind allein Masken und Desinfektionsmittel Zukunftsmusik. Immer wieder machen Organisationen wie Viva con Aqua auf die Situation in den Flüchtlingslagern aufmerksam und sammeln beispielsweise mit Livestreams Geld, um den Grundbedürfnissen wie sauberem Trinkwasser, sanitärer Versorgung und Hygiene näher zu kommen. Trotzdem geraten die Menschen in Moria schnell wieder in den Hintergrund. Ich will nicht sagen, sie werden vergessen, ich glaube eher sie werden verdrängt.
Doch es gibt einen Lichtblick. Letzte Woche Dienstag startete die Sendung Sing meinen Song. Ein Format, in dem sieben Musiker, unterschiedlicher Genres, die Songs der jeweils anderen auf ihre Art interpretieren und vortragen. MoTrip, ein deutscher Rapper mit libanesischen Wurzeln, der selbst als Flüchtling nach Deutschland kam, hat den Song aus dem Jahr 2016 „80 Millionen“ von Max Giesinger gesungen und nicht nur mich damit mehr als berührt. Seine Interpretation ist in kürzester Zeit 100-fach gestreamt worden und hinterlässt bei mir immer wieder eine Gänsehaut. Während es in dem Originalsong um die erste große Liebe von Max Giesinger geht, wie sie sich gefunden haben und was die Liebe mit den beiden macht, erlebt der Song zur EM 2016 bereits ein Revival. Die 80 Millionen Deutschen stehen als Fans geschlossen hinter ihrer Nationalmannschaft und feuern sie zu weiteren Siegen an. Genauso geschlossen sollten wir für die Rechte der Flüchtlinge einstehen. Sie sind nicht in den Lagern, weil es ihnen gefällt, unter widrigen Bedingungen getrennt von ihrer Familie in einem Land zu sein, dessen Sprache sie nicht sprechen. Nein. Sie sind geflohen, um in Frieden leben zu können. MoTrip schreibt den Song um und nimmt den Zuhörer mit auf seine Flucht. Er lässt uns an seinem Glück, in Deutschland aufgenommen worden zu sein und sich jetzt als einer von 80 Millionen Deutschen zu fühlen, teilhaben.
Meine Hoffnung ist, dass die Menschen nicht nur beim Hören, sondern auch danach, die Menschen in Moria nicht vergessen und ein bisschen mehr Menschlichkeit zeigen. Denn es ist nur ein minimaler Erfolg, 50 Minderjährige gerettet zu haben. In den Lagern an der Mittelmeerküste warten noch über 40.000 Flüchtlinge auf Hilfe und Unterstützung. Lassen Sie sich jetzt mitnehmen auf die Reise von MoTrip und lassen Sie Ihren Gefühlen freien Lauf. Für Gänsehaut, Mitgefühl und Tränen muss man sich nicht schämen, sie sind ein Zeichen der Menschlichkeit.
copyright: Das Titelbild stammt von dem Fotografen Nicolò Filippo Rosso, der mit dieser Fotografie bei den Pressefotos des Jahres 2019 in der Kategorie „Stories“ den dritten Platz belegte. Auf dieser außergewöhnlichen Fotoreise begleitete er einen Flüchtlingsstrom von Venezuela nach Kolumbien, der aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Krise in Venezuela ab 2016 begann.