Bereits 2018 hatten die Regierungsparteien die ausdrückliche Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Eine Arbeitsgruppe hatte daraufhin Textvorschläge unterbreitet, aus denen Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) einen Vorschlag erarbeitete. Nachdem dann die Union das Vorhaben stoppte, weil sie die Rechte der Eltern gefährdet sahen, formulierte eine weitere Arbeitsgruppe des Koalitionsausschusses einen neuen Entwurf, der in der vergangenen Woche vorgelegt wurde:
„Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt.“
Kaum veröffentlicht, wurde dieser Vorschlag, der nun über drei Jahre gebraucht hat, von den Grünen sowie den Linken, aber auch von Kinderschutzverbänden, stark kritisiert. Für das Aktionsbündnis Kinderrechte, zu dem u. a. der Kinderschutzbund, UNICEF Deutschland und das Deutsche Kinderhilfswerk gehören, war vor allem die „angemessene“ Berücksichtigung des Kindeswohls Stein des Anstoßes. In einer Pressemeldung der Bündnispartner wurde der Koalitionsvorschlag als unzureichend bezeichnet, da er weit hinter den Formulierungen der UN-Kinderrechtskonvention zurückbleibe, in der das Kindeswohl bereits vorrangig berücksichtigt wird. In der Praxis bietet die Formulierung „angemessen“ einen unendlichen Spielraum, der für die Kinder im Zweifelsfall keinen Fortschritt bedeutet. „Der aktuelle Formulierungsvorschlag bleibt signifikant hinter den völkerrechtlich verbindlichen Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention, der Europäischen Grundrechtecharta und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurück und ist absolut unzulänglich“, kritisierte Claudia Kittel, Leiterin der Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte. „Insbesondere die Formulierungen zum Kindeswohl sowie zum Recht des Kindes auf Beteiligung sind lückenhaft und bleiben sachlich hinter den in Artikel 3 und Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention und in Artikel 24 EU-Grundrechtecharta festgelegten Normen zurück.“
Die Grünen kritisierten ebenfalls, dass der Textentwurf den Kindern kein echtes Beteiligungsrecht einräumt. Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes und Jurymitglied des HanseMerkur Preises für Kinderschutz, schließt sich der Kritik an: „Beteiligung ist mehr als Kinder (rechtlich) zu hören. Beteiligen heißt, Kinder auch wirklich ernst zu nehmen.“ Im Gespräch mit uns gibt er zu bedenken, dass Kinder kaum einbezogen werden, wenn es um die Gestaltung von Spielplätzen oder öffentliche Verkehrsmittel geht, dabei sind sie die Hauptzielgruppe.
Um die Verfassung zu ändern, ist eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag sowie Bundesrat erforderlich, die die große Koalition alleine nicht erreicht. Ohne die Stimmen der FDP, der Grünen oder der Linken kann die Änderung nicht beschlossen werden. Das Thema „Kinderrechte ins Grundgesetz“ geht nun also in die nächste Runde. Bis zur Wahl sind es ja noch acht Monate, in denen die Regierungsparteien diesen Punkt des Koalitionsvertrages erfüllen können. Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerks brachte es auf den Punkt: „Ich wünsche der großen Koalition mehr Mut, die Beteiligung von Kindern in allen Lebensfeldern zu sichern und das Kindeswohl stärker zu berücksichtigen.“
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