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Kinderschutz

Ambulante Kinderhospizbegleitung – meine persönlichen Erfahrungen

2019 habe ich bei KidsAnker, einem von vier ambulanten Kinderhospizdiensten in Hamburg und Umgebung, eine Ausbildung als ehrenamtliche Kinderhospizbegleiterin begonnen. Eineinhalb Jahre später ist es Zeit ein Resümee zu ziehen und mit dem Vorurteil, dass Kinderhospizarbeit ausschließlich aussichtslos und traurig ist, aufzuräumen. Hierfür würde ich Sie gerne mit auf meinen Weg über die Ausbildung bis in die Familie nehmen, die ich seit knapp fünf Monaten begleiten darf. Alle Erfahrungen sind echt, aber natürlich subjektiv. Die Namen werde ich aus Gründen der Privatsphäre aber ändern.

Veröffentlicht von Pia Kracke am 11. Januar 2021

Was? Kinderhospiz? Oh man Pia, du bist 22 Jahre, willst du dich wirklich jetzt schon mit dem Tod beschäftigen?“, „Kinderhospiz? Also nein, das könnte ich nicht.“ oder „Du lädst dir damit so viel Trauer und Leid auf, dabei bist du noch so jung. Hast du dir das gut überlegt?“ Diese und ähnliche Reaktionen haben ich von Freunden und Familie bekommen, als ich 2019 verkündet habe nebenbei eine Ausbildung als ehrenamtliche Kinderhospizbegleiterin bei Kids Anker zu machen. Natürlich habe ich auch immer wieder darüber nachgedacht, was mich dort erwarten wird und ob ich dem gewachsen bin. Hatte aber nie Angst, denn Kids Anker hat uns nie das Gefühl gegeben, allein zu sein. Während der Ausbildung haben wir viel darüber gesprochen, was uns erwartet. Von Krankheiten und deren pflegerischen Aufwand über familiäre Schicksale, bis hin zu dem Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit lebensverkürzenden Erkrankungen in den unterschiedlichen Gesellschaften und Kulturen. Aber vor allem haben wir über uns, unsere Erwartungen und Ängste, sowie unsere Grenzen gesprochen. Uns begleitete eine Psychologin, die uns folgenden Satz sagte und mich damit nachdrücklich beeindruckte: „Man kann nur so lange gut für jemanden da sein, bis eine Grenze überschritten wird. Diese Grenze setzt jeder für sich. Hört auf euer Gefühl, achtet und vor allem respektiert eure eigenen Grenzen.“

Seit knapp fünf Monaten begleite ich die vierköpfige Familie Berg bestehend aus Mama Martina, Papa Martin, Mia und Max. Mia ist vor fast vier Jahren mit Osteogensis Imperfecta (Glasknochen) und Kleinwuchs auf die Welt gekommen und wurde auch von der Spezialambulanz der Klinik für Kinder und Jugendmedizin der Uniklinik Köln, einem der Anerkennungspreisträger des HanseMerkur Kinderschutzpreises 2017, untersucht und behandelt. Mama Martina erinnert sich gerne an die Anfänge zurück: „Wir waren gerne dort, weil wir all unsere Fragen stellen konnten. Die Ärzte und Pfleger haben sich Zeit genommen und wir sind mit einem gutem Gefühl und vielen wichtigen und interessanten Antworten wieder nach Hamburg gefahren.“

Im Sommer 2019, knapp ein Jahr nachdem ihr Bruder Max geboren wurde, erleidet Mia eine Vireninfektion, die das Gehirn angreift und nicht behandelbar ist. Mia wird zum Pflegefall. Die gesprochenen Worte und das Herumtollen gehören der Vergangenheit an. Ihren Kämpfergeist, ihre Willenskraft und ihre freche Art behält sie aber bei und liebt es, wenn man an ihrem Bett steht, mit ihr Quatsch macht und sie für ihre unverschämt langen und schön geschwungenen Wimpern beneidet. Nicht selten freut sie sich über diese Komplimente und beglückt mich mit einem Lachen.

Die Pflege eines Kindes mit einem Pflegegrad V verlangt eine Menge von den Angehörigen. Die Familie wird von einem Pflegedienst unterstützt, der aber keine tägliche Nachtbetreuung gewähren kann, sodass die Familie sowohl früh morgens, am späten Abend, sowie die Nacht, die Versorgung vollständig allein übernimmt. Nicht zu vergessen ist dabei ihr zweieinhalbjähriger Bruder Max, der auch gerne im Mittelpunkt steht. In diesem Alter sprechen Kinder in der Regel zwei- bis drei-Wort-Sätze. Max hält sich da zurück. Die Ärzte vermuten, dass er sich das bei seiner großen Schwester abguckt. Getreu dem Motto: „Wenn Mia nicht spricht, dann möchte ich auch nicht.“ Eine doppelte Belastung für die Eltern, die das meiner Meinung nach verdammt gut machen und alles Erdenkliche für ihre Kinder tun.

Und jetzt zu mir und meiner Rolle. Einmal in der Woche besuche ich die Familie und versuche die Mutter ein wenig zu unterstützen, während der Vater arbeitet. Ich spiele mit Max und seinen Autos, der Eisenbahn oder den Bausteinen. Erkunde mit ihm die Natur und gerate nicht selten ins Schwitzen, wenn ich ihm auf seinem Laufrad im Wald hinterher eile. Wir haben eine Menge Spaß und sind uns in kürzester Zeit sehr ans Herz gewachsen. Trotzdem verwunderte es mich, als ich bei meinen dritten Besuch im Hausflur schon meinen Namen hörte. Ganz stolz stand Max an der Tür und begrüßte mich mit „Pia, Pia, Pia“. Viele denken bei ehrenamtlichen Tätigkeiten gibt man nur, doch das kann ich so nicht bestätigen. Momente wie diese geben mir so viel Freude und Herzenswärme, das ist unbeschreiblich. Weiter lerne ich eine Menge von der Familie, erfahre Dankbarkeit, Freundschaft und Vertrauen. Mein wöchentlicher Besuch schafft eine Verschnaufpause für die Eltern, volle Aufmerksamkeit für Max und immense Dankbarkeit und Freude auf meiner Seite. Zum einen, dass ich diese unglaubliche Familie kennenlernen durfte und hoffentlich noch ein bisschen begleiten kann und zum anderen für meine Familie und Freunde, die größtenteils gesund sind.

Kinderhospizbegleitung bedeutet nicht immer den schnellen Tod, es kann eine jahrelange Begleitung einer Familie sein, die natürlich traurige Momente hat, aber eben nicht nur. Auch in Familien mit lebensverkürzterkranken Kinder und Jugendlichen wird gelacht und das Leben genossen. Vielleicht sogar noch ein bisschen mehr, weil man sich dem möglichen Ende bewusster ist.

Falls Sie Fragen zur ambulanten Kinderhospizbegleitung haben, melden Sie sich gerne bei mir oder Kids Anker. Die Koordinatoren Sandra Doumbia und Janine Ratai stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite.

2 thoughts on “Ambulante Kinderhospizbegleitung – meine persönlichen Erfahrungen”

  1. Liebe Pia, was für ein schöner Bericht. Wir sind froh das du bei KidsAnker dabei bist. Dein Engagement, deine Zeit die du gibst, ist ein großes Geschenk für die Familie.

  2. Was für ein schöner Beitrag und ein großartiger Appell für das Ehrenamt. Vielen Dank für Deinen Text und Dein Engagement!

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