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Kinderschutz

Stört es Dich nicht, dass ich erst zwölf bin?

Kürzlich sind die Ermittler im sogenannten „Missbrauchskomplex Bergisch-Gladbach“ auf Spuren von mehr als 30.000 Verdachtsfällen gestoßen. Es handele sich um ein internationales Netzwerk von Pädo-Kriminellen mit Schwerpunkt im deutschsprachigen Raum. Die Größenordnung mag neu sein, der Inhalt ist es nicht. Das WorldWideWeb schafft ungeahnte Möglichkeiten, um Bilder von sexueller Folter an Kindern und Jugendlichen der Welt zugänglich zu machen. Neben Kinderpornographie beobachten die Ermittler weltweit noch eine ganz andere Entwicklung mit großer Sorge: Cybergrooming. In Tschechien ist hierzu eine Dokumentation entstanden, die eine ungeschönte Wahrheit ans Licht bringt.

Veröffentlicht von Silke Hirschfeld am 17. Juli 2020

Drei Kinderzimmer, drei Darstellerinnen, die als vermeintlich Zwölfjährige durchgehen, und drei Webcams – mehr brauchte das Experiment nicht, das das tschechische Regisseur-Duo Barbora Chalupová und Vít Klusák  zum Inhalt ihrer Dokumentation gemacht haben. Es brauchte nicht einmal Geduld, denn bereits wenige Minuten, nachdem die Mädchen-Profile auf Facebook, Skype, Snapchat online gingen, ploppten die ersten Nachrichten auf. Es waren Männer, die diese Nachrichten schrieben. Und das taten sie nicht versehentlich. Sie waren auf der Suche nach jungen Mädchen.

Die Schauspielerin Tereza Těžká war entsetzt über das, was ihr gerade widerfuhr: „Ich habe echt nicht fassen können, was da gerade passiert. Ich fühlte mich unbeholfen. Ich war sauer. Ich fühlte Hass gegenüber den Männern, auch Mitleid, dass sie so armselig sind und was sie überhaupt für ein Problem haben zwölfjährige Mädchen anschreiben zu müssen.“

Kinder und Jugendliche sind einfache Ofer, weil sie so leicht zu manipulieren sind. „Ein 16-jähriges Mädchen hätte bei einer Masturbationsanfrage den Typen in die Hölle gejagt, aber ein zwölfjähriges Mädchen, das im Prinzip einem Mann gegenüber sitzt, der so alt ist wie ihr Vater, eine Autorität – die macht das Skype nicht aus, sie traut sich nicht, hat Angst,“ so Chalupová.
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Die Männer machen sehr schnell klar, worum es ihnen bei den Kontakten geht. Těžká erinnert sich: „Als ich das erste Skype-Gespräch hatte und er direkt anfing zu onanieren, wusste ich überhaupt nicht, was ich machen soll. Ich saß da und konnte es noch nicht mal abschalten. Und mit der Zeit, als ich das zwanzigste, fünfzigste Gespräch hatte, wo sich immer wieder einer einen runtergeholt hat, habe ich festgestellt, dass ich dagegen immun wurde. Irgendwie abgestumpft – ja ok, ein weiterer Penis! Aber der Schock war nicht mehr da. Und das ist genau das Problem, dass die Kinder dem die ganze Zeit ausgesetzt sind und nicht mehr verstehen, dass es ein Problem ist.“
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Unter Aufsicht von Undercover Bodyguards fanden zudem Treffen mit 21 Webkontakten statt. Die Männer hatten zum Teil schon Hotelzimmer für sich und die Mädchen gebucht oder Bustickets, um mit ihnen nach Hause zu fahren. Eigentlich war es nicht die Absicht der Filmemacher die Polizei einzuschalten, allerdings ahnten sie auch bei der Planung noch nicht, mit welcher Welle an Pädokriminalität sie überschwemmt werden würden. So stellten sie ihr Material am Ende doch den Ermittlern zu Verfügung. Aufgrund des Films laufen nun in Tschechien 52 Verfahren gegen Männer, die auf der Suche nach Sex mit Zwölfjährigen waren – nicht im Darknet oder einschlägigen Plattformen. Sie fanden ihre Opfer in den gängigen öffentlichen Social Media-Kanälen.
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Im November wird die Dokumentation Caught in the net auch in die deutschen Kinos kommen. Vor allem ist es aber an der Zeit, dass ein solcher Film in die Schulen kommt und fester Bestandteil der Arbeit mit Kindern und Eltern wird, denn der beste Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt ist Prävention.

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